Zeitzeugengespräche 2023/24 - Dr. Michael Jansen


Zeitzeugengespräch mit Herrn Dr. Michael Jansen,

dem ehemaligen Leiter des Ministerbüros im Auswärtigen Amt unter Hans-Dietrich Genscher und ehemaligen Chef des Bundespräsidialamtes unter Horst Köhler

Am 11. Juni 2024 besuchte der Zeitzeuge Hr. Dr. Michael Jansen die Eichendorffschule, um den Schülerinnen und Schülern der Klassen G10 von seinen Erfahrungen um die Ausreise der DDR-Bürger und den Mauerfall zu berichten. 

Herr Jansen wurde 1941 als eines von fünf Kindern geboren. In seiner Kindheit erlebte er die großen Schäden nach dem Krieg, wie z.B. die Zerstörung und den starken Mangel an alltäglichen Dingen, ging aber trotzdem zur Schule und machte sein Abi. Auf diese Weise gelang es ihm, Jura zu studieren.

Nach seinem Studium erhielt er einen Job im Auswärtigen Amt und gelangte so in das Zentrum der Diplomatie. In dieser Zeit führte er viele Verhandlungen, wobei es ihm wichtig war, Verständnis für andere aufzubringen, alle Interessen zu vertreten und Kompromisse zu finden. Währenddessen reiste er sehr viel um die Welt und war unter anderem in Südkorea, Madrid und Venezuela. Auf diese Weise beherrschte er neben Deutsch, Englisch und Französisch nun auch Spanisch, was ihm in einigen Verhandlungen weiterhalf.

1981 wurde er in das Büro des Außenministers berufen und arbeitete dann bis 1990 für Hans-Dietrich Genscher. Mit ihm reiste er unter anderem nach Moskau, wo er an den Gesprächen mit Michail Gorbatschow teilnahm.

Im Sommer 1989, dem Jahr des Mauerfalls, reisten viele DDR-Bürger nach Ungarn und die Tschechoslowakei, um dort einen westdeutschen Pass zu erlangen und so ausreisen zu können. Herr Jansen berichtete uns, wie er selbst zur deutschen Botschaft in Budapest und später auch nach Prag reiste, um dort Verhandlungen über das weitere Vorgehen zu führen. Nachdem er von Kanzler Helmut Kohl die Erlaubnis erhalten hatte, so viel Geld wie nötig für die Ausreise der DDR-Bürger aus Ungarn zu verwenden, durfte er den Menschen in Ungarn mitteilen, dass die Grenzen zu Österreich geöffnet wurden. Dies sei einer der emotionalsten Momente seines Berufslebens gewesen, da er dabei vor ca. 3000 Menschen sprach und deren Freude erlebte. Danach reiste er nach Prag in die Botschaft, wo er erneut einige Verhandlungen führte. Nachdem Genscher Ende September auch nach Prag reiste und dort die gewaltfreien Absichten beteuerte, dauerte es nicht mehr lange, bis die Ausreise der DDR-Bürger aus der deutschen Botschaft in Prag durch die DDR-Regierung genehmigt wurde.

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Bei Genschers Ansprache an die wartenden Deutschen auf dem Balkon der Prager Botschaft war Herr Jansen auch anwesend. Dort verkündete Genscher, dass sie ausreisen können. Dies war sehr emotional für die wartenden Menschen, aber auch für Herrn Jansen. Nachdem Genscher erklärt hatte, dass die Züge für die Ausreise in die BRD durch die DDR fahren würden, ging ein großer Aufschrei durch die Menge. Um sie zu beruhigen, stellte er ihnen Herrn Jansen und weitere Mitreisende vor, die ebenfalls mit dem Transitzug fahren würden. So reiste Herr Jansen mit den Ausreisenden bis nach Hof, wo sie mit Essen vom Deutschen Roten Kreuz empfangen wurden.

Nach dem Mauerfall am 9.11.1989 nahm Herr Jansen an den 2+4-Gesprächen, also zwischen der BRD und DDR sowie den Siegermächten des 2. Weltkrieges, teil.

Mit dem Erfolg der 2+4-Gespräche trat er aus dem Auswärtigen Amt aus und ging in die Industrie, wo er bei einem Chemieunternehmen arbeitete.

Herr Jansen war schon während seiner Arbeit in der Industrie mit der Frage bezüglich der früheren Zwangsarbeiter konfrontiert worden, weshalb er daraufhin eine Stiftung gründete, die sich mit der Verteilung der Entschädigungsgelder auseinandersetzte.

Zum Ende seiner Berufskarriere durfte er noch als Staatssekretär für den Bundespräsidenten Horst Köhler arbeiten.

Bei unserem Gespräch stellte sich Herr Jansen als ein immer noch sehr neugieriger und aktiver Mensch heraus. Nachdem wir ihm noch ein paar Fragen stellen durften, verabschiedete er sich mit einigen Lebensweisheiten, die er uns mit auf den Weg gab. Dazu zählt unter anderem die Tatsache, dass man sich immer freundlich und aufgeschlossen seinen Mitmenschen gegenüber verhalten sollte und, dass das Leben schön sei.

(Katharina Diehm und Alea Bank)




Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Jansen_(Staatssekret%C3%A4r)




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