Zeitzeugengespräche 2022/23
Am 9. November 2022 besuchte der Zeitzeuge Georg Felhölter die Eichendorffschule, um anlässlich des 84. Jahrestages der Reichspogromnacht den Schülerinnen und Schülern der Q3 von seinen Erfahrungen und Erlebnissen zur Zeit des Nationalsozialismus zu berichten.
Georg Felhölter wurde 1931 als jüngster von sechs Brüdern in Osnabrück geboren. Somit wuchs er im nationalsozialistischen Deutschland auf und war als sog. Pimpf auch Teil der Hitlerjugend. Von diesen Erfahrungen berichtete Felhölter sehr positiv, denn die meisten Jugendlichen bemerkten nicht, dass ihnen unbewusst der Fanatismus indoktriniert wurde. Sie wurden in eine Zeit hineingeboren, in der die Ideologien Hitlers das Land regierten und kannten daher nichts Anderes.
Somit war auch der Brand der Synagoge in seiner Heimatstadt Osnabrück nach der Reichspogromnacht, den Felhölter beobachtete, ein sehr prägendes Ereignis für ihn, dessen Bild er bis heute noch vor seinen Augen sieht. Zu dem Zeitpunkt war er zwar erst sieben Jahre alt, doch er sagte auch, er könne nicht behaupten, er habe nichts von dem Holocaust mitbekommen.
Als der Krieg 1939 ausbrach, wurden alle seine fünf älteren Brüder als Soldaten einberufen. Georg Felhölter selbst war jedoch noch zu jung und erlebte daher den Krieg aus der Heimat mit. Besonders die Luftangriffe auf Osnabrück sind ihm dabei im Gedächtnis geblieben, was er durch zahlreiche mitgebrachte Statistiken und Bilder verdeutlichte.

Zum Schutz vor diesen Luftangriffen wurden etwa 2 Mio. Schüler im Alter zwischen 10 und 14 Jahren gegen Ende des Krieges mit der Kinderlandverschickung (KLV) in sichere Gebiete gebracht. Zu diesen Schülern gehörte auch Felhölter, welcher im Winter 1944 im Salzburger Land ankam. Dort erlebte er auch das Ende des Krieges mit. Ein Ereignis, das aus seiner Zeit im KLV-Lager heraussticht und erneut die Präsenz der NS-Ideologie in den Köpfen der Jugendlichen verdeutlicht, ist als ein amerikanisches Flugzeug in der Nähe von Felhölters Unterkunft abzustürzen drohte und die Piloten mit Fallschirmen aus der Maschine flüchten mussten. Der 13-jährige und seine Freunde beobachteten dies und waren direkt fest entschlossen, bei einem Aufeinandertreffen mit den feindlichen Amerikanern zu ihren Messern zu greifen. Soweit kam es jedoch nicht, da deutsche Soldaten sich der Situation annahmen. Rückblickend ist Felhölter sehr schockiert über seine damalige Handlungsbereitschaft. Nach Kriegsende entschlossen sich Felhölter und sechs weitere Jungs aus dem KLV-Lager ihren Weg in die über 800 km entfernte Heimat anzutreten, in der Hoffnung, ihre Eltern wiederfinden zu können. Auf ihrer 20-tägigen Reise teilten sich die sieben Kameraden aufgrund unterschiedlicher Belastbarkeit auf. Die letzte Etappe nach Osnabrück wurden Felhölter und ein weiterer Begleiter von einem LKW mitgenommen. Als dieser die Jungs am bekannten Rosenplatz absetzte, erkannten sie diesen schockierenderweise nicht wieder. Vom Rosenplatz aus gingen die beiden getrennte Wege nach Hause und stellten fest, dass ganz Osnabrück in Trümmern lag. Zu Hause angekommen fand Felhölter glücklicherweise seine Eltern lebend vor. Auch alle seine Brüder überlebten den Krieg und kehrten nach und nach aus der Kriegsgefangenschaft zurück.
Trotz seines hohen Alters ist Georg Felhölter noch sehr fit und berichtete sehr lebendig über seine Erlebnisse aus der Vergangenheit. Heute ist er Pazifist und lehnt den Umgang mit Gewalt ab, auch wenn es angesichts der aktuellen Lage in der Ukraine seiner Ansicht nach manchmal doch Waffen zur Verteidigung braucht, um den Frieden zu sichern.
(Rita Ben Jelloun und Sabrina Erbach (Q3))