Frühstück vor der Prüfung, nach der Flucht Abitur machen

logo_presse_hk vom 24.06.2016

„Kluge Köpfe“ heißt das Projekt, bei dem die Bürgerstiftung Hauptschüler auszeichnet. Und das müssen nicht immer die mit den besten Noten sein.

Eine Woche lang Abschlussprüfungen schreiben, dabei schon am frühen Morgen voll konzentriert sein — kein Zuckerschlecken. Das weiß Janine aus der Klasse H 9 der Gesamtschule Fischbach (GSF), die ebenfalls über den Aufgaben gegrübelt hat. Doch die 15-Jährige war gemeinsam mit Johanna (16) jeden Tag noch früher an der Schule: Um 7 Uhr schlugen die Schülerinnen dort auf und machten ihren Klassenkameraden vor den Prüfungen ein ordentliches Frühstück. Das sei wichtig, wenn man „von morgens bis mittags konzentriert sein muss“, findet Janine, die sich zudem als Streitschlichterin und Schulsanitäterin an der GSF engagiert und jetzt eine Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten macht. Ihre Freundin Johanna ist ebenfalls Sanitäterin und möchte so etwas später beruflich angehen.

Die aktiven GSF-Schülerinnen sind ein Glücksfall — für die Schule, aber auch für die Bürgerstiftung Kelkheim. Denn die Organisation sucht jedes Jahr unter dem Titel „Kluge Köpfe“ Hauptschüler, die sich besonders engagieren — sei es mit schulischen Leistungen, aber auch durch ihr Sozialverhalten wie bei Janine und Johanna. „Wir wollen die Schüler von Anfang an zu möglichst guter Mitarbeit motivieren“, sagt Börris Kübel, Schatzmeister der Stiftung. Dafür gibt es zum sechsten Mal entsprechende Preise — Kino- und Buchgutscheine sowie eine Urkunde. „Sie ist das Zeichen: ,Ich habe mich bewährt als kluger Kopf’“, weiß Kübel, der die Präsente bei einer Feier im Rathaus überreicht.

Etwas vergessen

Dazu ist auch Bürgermeister Albrecht Kündiger gerne gekommen. Er geht besonders auf das soziale Verhalten junger Menschen ein. Der Preis der Stiftung sei „eine Motivation, dass es sich lohnt, wenn man sich einsetzt“. Wenn das in den klugen Köpfen nachhaltig hängen bleibe, „dann haben wir schon ganz viel erreicht“, findet Kündiger. Dem kann Stefan Haid, Schulleiter der Eichendorffschule (EDS), nur zustimmen. Auch er freut sich über gute schulische, vor allem aber soziale Leistungen und macht deutlich: „Das ist wichtig mit Blick auf unsere Hauptschüler, die vielleicht manchmal ein bisschen vergessen werden.“

An diesem Abend ist das sicher nicht der Fall. 16 junge Leute von der EDS und der GSF stehen im Mittelpunkt, viele Eltern, die Lehrer und der Vorstand der Bürgerstiftung sind gekommen. Laura, Sanaa, Ashu, Samira, Farzana, Kristina, Patrick, Iman, Maciej, Robin, Armin, Erik, Samantha, Janine, Aida und Johanna erhalten Preise — entweder sind sie Klassenbeste oder in einem Fach besonders gut, haben sich als Flüchtling sehr gut integriert oder als Klassensprecher hervorgetan oder ein besonderes Sozialverhalten an den Tag gelegt. Auf Farzana von der EDS trifft einiges zu. Sie hat gute Noten in Mathematik und innerhalb weniger Monate Deutsch gelernt. Nach mehr als einem Jahr Flucht aus Afghanistan mit Stationen in Lagern in Griechenland und der Türkei kam die heute 15-Jährige mit ihrem kaum älteren Bruder vor acht Monaten in Kelkheim an. Die Mutter und die anderen Geschwister war schon hier. In der EDS-Intensivklasse lernte sie bald Deutsch, ging dann in den H-Zweig und ist jetzt Realschülerin. Sie wolle ihr Abitur machen und Ingenieurin werden, sagt Farzana, die bei der Flucht sogar vier Mathematik-Bücher im Gepäck hatte. Ähnlich erfolgreich integriert hat sich Kristina von der EDS, sie kam im Juli 2015 von Afghanistan nach Deutschland und spricht schon prima Deutsch. Zwei weitere Beispiele, die zeigen, welch kluge Köpfe an die Kelkheimer Schulen gehen.

(wein)