Der Rektor und die Abenteuerlust
vom 14.12.2013
Gestern wurde in der Eichendorffschule Schulleiter Volker Stender-Mengel nach Bolivien verabschiedet.
Wolfgang Nowak vom Staatlichen Schulamt Groß Gerau sieht Volker Stender-Mengel nicht so gerne gehen, sonst hätte er ihm nicht allerlei aus einem Buch über Bolivien vorgelesen. Von Büschelgrassteppe ist da die Rede, die Schafen und Lamas nur eine dürftige Weide böten, von Temperaturschwankungen, Höhenkrankheit, Atemnot und Herzbeschwerden. „Etwas freundlicher dürfte es schon sein“, vermutet Nowak, aber was jemanden in ein solches Land treibt, diese Frage wurde im Laufe der Verabschiedung für Stender-Mengel schon aufgeworfen. „Es ist die Abenteuerlust, die ihn treibt“, vermutet ein Lehrer.
Der scheidende Schulleiter ließ die Frage offen. Er sei nicht gekommen, um die Schule so schnell wieder zu verlassen, erklärte Stender-Mengel — erst 2009 war er Nachfolger des langjährigen Schulleiters Horst Ackermann geworden. Und dann stolperte er über die Ausschreibung der Stelle des Leiters einer Schule in der bolivianischen Hauptstadt La Paz. Dort hatte er schon einmal gearbeitet, vor 25 Jahren, als Berufseinsteiger. „Er weiß schon, worauf er sich einlässt“, ist Kelkheims Erster Stadtrat Dirk Westedt überzeugt.
Es ist schon eine ganz andere Schule, die Stender-Mengel in Südamerika zu leiten hat. Die deutsche Schule dort hat 1000 Schüler, das ist keine große Differenz zur Eichendorffschule. Aber sie führt von der Einschulung bis zum Abitur, schließt auch einen Kindergarten und eine Berufsschule mit ein. Insgesamt ist die Ausbildung praxisorientierter als in einer deutschen Gesamtschule. Aber ob Kindergartenkind, Grundschüler oder Abiturient: „Sie bekommen einen lustigen Schulleiter“, so Schülervertreter Luis Bramato gestern in der Aula der Eichendorffschule.
Zum Abschied noch einmal herzlich lachen: Volker Stender-Mengel
bei seiner Verabschiedung neben seiner Frau Kerstin Mengel. (Foto: Knapp)
Der verlängerte damit noch die lange Reihe der lobenden Worte für Stender-Mengel. Er habe seinen Job mit Herz gemacht und Eltern und Lehrern immer Raum genug für eigenes Engagement gelassen, so die frühere Schulelternbeiratsvorsitzende Martina Lenz. Mit viel Anstrengung und viel Erfolg habe Stender-Mengel die Schule geleitet, ist Wolfgang Nowak vom Staatlichen Schulamt überzeugt. Kreisbeigeordneter Wolfgang Kollmeier sprach von einer engagierten Schule mit engagierten Lehrern.
Fest steht, dass es keine ruhigen Jahre waren. In Stender-Mengels Zeit fiel die Abspaltung des Standortes Fischbach als eigenständiger Schule — das sicher eher ein organisatorisches als ein politisches Problem. Da war die Debatte, ob die Eichendorffschule Gymnasium werden oder Gesamtschule bleiben sollte, erheblich brisanter. Dass sich Stender-Mengel für die Gesamtschulvariante ausgesprochen hatte, dürfte die Entscheidung schon beeinflusst haben. Die angestoßene Rückkehr zu G9 dagegen wird erst unter einem Nachfolger zu Ende gebracht — wer das sein wird, steht aber noch nicht fest.